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„Die Nebenwirkungen von Tamoxifen sind oft heftig“

Mascha, Katja und Anne haben hormonabhängigen Brustkrebs. Hier erzählen sie, wie es ihnen mit der Antihormontherapie geht.

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„Die Nebenwirkungen von Tamoxifen sind oft heftig“
Anne, Mascha & Katja von Berlinelles


Mascha und Katja waren 38, Anne 32 Jahre alt, als sie die Diagnose Brustkrebs erhielten. Kennen gelernt haben sie sich bei der Chemotherapie in einem Brustzentrum in Berlin. Da alle drei Frauen hormonabhängige Tumore hatten, werden sie nun mit dem Antihormon Tamoxifen behandelt. Uns erzählen die drei, wie es ihnen damit geht und wie sie die Zeit im Krankenhaus erlebt haben.


Redaktion: Ihr habt vor gut zweieinhalb Jahren die Diagnose Brustkrebs bekommen. Mittlerweile geht ihr alle wieder arbeiten. Ist das Schlimmste überstanden?

Anne: Na ja. Ich dachte immer, dass mich die Krankheit stärker machen würde und ich durch sie irgendwie wachse. Doch das Gegenteil ist der Fall: Statt an Selbstsicherheit zu gewinnen, fühle ich mich heute tatsächlich viel unsicherer als früher.

Wie äußert sich das?

Anne: Ich habe ständig Angst, dass meinem Freund und meiner Familie etwas zustößt. Dazu die Angst vor Metastasen ... Katja hat mir deshalb empfohlen, eine Psychotherapie zu machen. Und das werde ich jetzt auch angehen.

Katja: Auch die Spätfolgen der Chemotherapie und die Nebenwirkungen des Tamoxifen sind nicht zu unterschätzen. Während der chemotherapeutischen Behandlung hatte ich anfangs starke Wortfindungsstörungen und konnte mich selten länger als zwei Stunden konzentrieren. Auch Lesen war kaum möglich: nach vier Seiten war meine Aufmerksamkeit dahin.

Mascha: Außerdem unterdrücken die Antihormone nicht nur die Östrogenproduktion, sie verändern auch den Körper.

Was bedeutet das?

Mascha: Die Knochen tun weh, die Haut wird schlaffer, man nimmt zu. Dazu kommen Schlafprobleme und Hitzewallungen. Im Vergleich zu alldem fand ich die Glatze durch die Chemotherapie tatsächlich harmlos.

Katja: Besonders hart finde ich die Antihormontherapie auch, weil ich nach der operativen Entfernung des Tumors und der Chemotherapie dachte: Jetzt habe ich es geschafft! Jetzt ist der Krebs überstanden!

Haben die Ärzte dich nicht über die Nebenwirkungen der verschiedenen Therapien aufgeklärt?

Katja: Nein. Ehrlich gesagt wurde mir nicht mal gesagt, dass ich durch die Chemotherapie unfruchtbar werden kann. Ich hatte damals zwar keinen expliziten Kinderwunsch – über das Risiko wäre ich dennoch gerne informiert worden – auch, um mich bewusst entscheiden zu können.

Anne: Bei mir wurde das Risiko einer möglichen Unfruchtbarkeit zum Glück angesprochen. Vielleicht auch, weil ich bei der Diagnose gerade mal 32 Jahre alt war. Für mich war das dann auch ein ziemlicher Schock: Ich und mein Freund hatten nämlich gerade mit der Familienplanung begonnen. Dann kam der Brustkrebs.

Die Chemotherapie hast du dennoch gemacht.

Anne: Eine echte Wahl hatte ich leider nicht. Allerdings habe ich vorher Eizellen entnehmen und sie einfrieren lassen.

Mascha: Mein Eindruck ist, dass man für viele Ärzte tatsächlich nur Tumor XY ist. Gespräche über alternative Methoden gab es zumindest bei mir kaum – ebenso wenig wie Zeit für Zwischenmenschliches. Ich meine, ich wurde am Dienstag operiert und am Freitag schon wieder entlassen.

Du hast dich im Krankenhaus also nicht gut versorgt gefühlt.

Mascha: Überhaupt nicht. Bei der Chemotherapie saß ich beispielsweise immer mit bis zu zehn anderen Frauen zusammen. Betreut wurden wir von zwei Krankenschwestern, die nahezu bei jeder Sitzung wechselten. Für mich ist das Massenabfertigung – oder zumindest habe ich das so empfunden. Ich will auch nicht nur meckern. Wir haben in Deutschland schon ein sehr gutes Gesundheitssystem. Als Patientin fühlt man sich dennoch oft hilflos, gerade, wenn man wie wir eine lebensbedrohliche Krankheit hat. Mehr Aufklärung hätte ich mir beispielsweise auch bei der brusterhaltenden Therapie gewünscht.

Wie meinst du das?

Mascha: Die Ärzte betonen gerne, dass mittlerweile gut 70 Prozent der Frauen mit Brustkrebs brusterhaltend operiert werden können. Dass danach oft Dellen zurückbleiben, die operierte Brust an Volumen verliert und sich auch ihre Form verändern kann, wird dabei nicht erwähnt. Stattdessen soll man froh sein, dass man noch beide Brüste hat.

Bei euch hat sich anscheinend einiges angestaut ... Ist das auch der Grund, warum ihr den Blog Berlinelles gegründet habt?

Katja: Ich glaube, da hatte jede von uns ihre ganz eigene Motivation. Mir ging es aber tatsächlich vor allem darum, anderen betroffenen Frauen Tipps zu geben, die ihnen helfen, besser mit der Krankheit und der Zeit danach umzugehen.

Mascha: Mir war auch der Austausch mit anderen Betroffenen wichtig. Außerdem half mir das Schreiben, meine persönliche Geschichte zu verarbeiten.

Habt ihr in der Phase der Krankheit und Therapie mit eurer Familie und euren Freunden darüber gesprochen, wie es euch geht?

Mascha: Ich habe mich tatsächlich relativ schnell mitgeteilt und gesagt, dass es mir gerade schlecht geht und dass ich Hilfe brauche. Außerdem musste ich mich mit der Frage auseinandersetzen, wer sich um meine Tochter kümmert – für den Fall, dass ich es nicht schaffe. Sie war damals gerade mal dreieinhalb Jahre alt.

Anne: Ich habe während der Krankheit auch unglaublich viel darüber gesprochen, wie es mir geht – selbst mit meinen Kollegen und oft auch ungefragt. Die Gefühle mussten einfach raus. Mittlerweile gibt es endlich auch wieder andere Themen, die mich beschäftigen – und das ist schön!

  

Die drei Frauen von „Berlinelles“ über die Antihormontherapie

Katja, 41, lebt seit über 17 Jahren in Berlin und arbeitet als Sozialarbeiterin in der Behindertenhilfe. Ihre Erfahrung mit Tamoxifen:

„Was Antihormontherapie bedeutet, war mir vor Beginn der Behandlung gar nicht bewusst. Ich dachte damals, die Chemotherapie ist das Schlimmste und alles danach ganz easy. Einfach eine Tablette einzuwerfen kann ja nicht so schlimm sein. Durch Recherche dämmerte mir aber so langsam mein „Schicksal“: Ich wurde ich zu 5 Jahren Tamoxifen „verdonnert“. Nach der Bestrahlung fing ich mit der Einnahme an und hatte eine Riesenangst vor den gruseligen Nebenwirkungen, insbesondere vor der Gewichtszunahme. Zum Glück bin ich davon verschont geblieben. Dafür begleiten nun tägliche Hitzewallungen mein Leben. Ich fühle mich dadurch in meiner Lebensqualität beeinträchtigt, da diese immer zu den ungünstigsten Zeiten auftreten, zum Beispiel bei wichtigen Gesprächen. Auch meine Konzentrationsfähigkeit hat abgenommen. Noch etwas über zwei Jahre, dann habe ich es hinter mir. Komischerweise fühlt sich schon jetzt die Zeit danach sehr verunsichernd und angstbesetzt an …“


Anne, 34, kommt ursprünglich aus Frankreich und lebt seit gut zehn Jahren mit ihrem Freund in Berlin. Ihre Erfahrung mit Tamoxifen:

„Ein paar Tage habe ich gebraucht, bevor ich die erste Tablette schlucken konnte. Das war vor fast drei Jahren (schon! Wahnsinn!). Und seitdem heißt es für mich: Schwitzen, schwitzen, schwitzen!!! Nachts muss ich mehrfach meine Klamotten wechseln, tagsüber könnte ich immer mit offenem Fenster leben (auch im Winter). Die Hitzewallungen begleiten mich nahezu den ganzen Tag – das schlägt natürlich auch auf die Konzentration. Dazu habe ich Schmerzen in den Gelenken. Dagegen hilft mir glücklicherweise Yoga und Joggen. Am meistens nervt mich jedoch der „gentle reminder“, den man kriegt, wenn man das Ding schluckt: „Vergisst nicht, dass du Krebs hattest, Schatzi!“ Alsoooo nervig –hoffentlich ist bald mal was anderes auf dem Markt, da ich die Tablette 10 Jahre nehmen soll. Vielleicht sollte man aber da auch nicht das Positive aus den Augen verlieren: Wir leben in einem Land mit einem tollen Gesundheitssystem, wo wir das Glück haben, Zugang zu vielen Therapien und Arzneimitteln zu haben, die unser Leben retten können. Also … cheers!“


Mascha, 40, gebürtige Österreicherin, zog 2005 von Wien nach Berlin. Sie ist Schriftstellerin und ihr Name ein Pseudonym. Ihre Erfahrung mit Tamoxifen:

„Ich konnte mir den Namen des Medikaments sehr lange nicht merken. Meine Zunge bekam ihn einfach nicht geformt. Nun bin ich seit zweieinhalb Jahren auf Tamoxifen und weiß manchmal nicht, wie ich das eventuell noch weitere sieben Jahre schaffen soll. Ich fühle mich völlig fremd in meinem Körper und die Methode „Augen zu und durch“ funktioniert bei einer Aussicht auf zehn Jahre auch nur beding. Meiner Meinung nach fühlt sich der Körper 15 Jahre älter an, als er ist, was natürlich auch an der Vielzahl der Medikamente liegt. Neben Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Knochen- und Gliederschmerzen, Wassereinlagerungen, Gewichtszunahme ... bleibt die große Hoffnung, dass es DAS Mittel ist und meinen Brustkrebs endgültig besiegt!Das Leben beginnt halt nicht erst nach der Behandlung, sondern JETZT!“


26. Oktober 2018

Foto: ThomasNeukumPhotography