Müssen Sie vor einem operativen Eingriff eine Entscheidung zwischen einer brusterhaltenden Therapie und einer Mastektomie treffen? Wir haben mit betroffenen Frauen gesprochen und geben einen Überblick welche Entscheidung sie getroffenen haben und aus welchen Gründen.
Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund 69.000 neue Brustkrebsfälle diagnostiziert und viele der betroffenen Frauen fragen sich: ‚Brusterhaltende Operation oder Mastektomie: Wofür soll ich mich entscheiden?‘ Beinahe alle diese Frauen unterziehen sich als Teil ihrer Behandlung einer Operation, doch führt eine Früherkennung der Krankheit dazu, dass die meisten Betroffenen sehr viel eher für einen brusterhaltenden Eingriff oder eine brusterhaltende Therapie infrage kommen, statt eine vollständige Mastektomie über sich ergehen lassen zu müssen.
Bis vor einem viertel Jahrhundert bestand die einzige Option in radikalen Operationen, weshalb sich niemand zwischen einem brusterhaltenden Eingriff und einer Mastektomie entscheiden konnte oder musste. Mastektomien wurden erstmals Ende des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum erprobt. Bis in die 1970er Jahre wurde bei den meisten Frauen eine radikale Mastektomie durchgeführt – ein tiefgreifendes Verfahren, bei dem neben dem Brustgewebe, der Brustwarze und dem Warzenhof auch die Lymphknoten des Unterarms sowie die Muskeln der Brustwand der betroffenen Seite entfernt wurden.
Die ab den 1960er Jahren ausgeführte modifizierte radikale Mastektomie verringerte das Ausmaß des chirurgischen Eingriffs auf den Brustbereich und die Lymphknoten und verschonte die Brustmuskeln weitestgehend. Dabei handelt es sich auch heute um die häufigste Art der Mastektomie – insbesondere wenn Frauen nicht für brusterhaltende Operationen infrage kommen.
Bei einer brusterhaltenden Operation werden der Krebsknoten sowie ein angrenzender Sicherheitsbereich entfernt; der Großteil der Brust bleibt erhalten. In den 1980er Jahren wurden beachtliche Durchbrüche bei brusterhaltenden chirurgischen Verfahren erzielt, wodurch sich heute bereits etwas mehr als die Hälfte der Frauen mit Brustkrebs im Vereinigten Königreich für eine brusterhaltende Therapie entscheidet.
Brusterhaltende Operationen gehen typischerweise mit einer fünf- bis siebenwöchigen Strahlentherapie einher, gefolgt von einer Operation, um sicherzustellen, dass alle Krebszellen behandelt werden. Forschungsergebnisse belegen, dass die Kombination aus brusterhaltender Operation und Strahlentherapie dieselben Langzeitüberlebensraten aufweist wie Mastektomie, was ein ermutigendes Ergebnis ist.
Doch selbst angesichts vergleichbarer Ergebnisse unterzieht sich die Hälfte der Brustkrebspatientinnen, die für eine brusterhaltende Therapie infrage kämen, stattdessen einer Mastektomie. Warum und wie entscheiden sie sich für diese Lösung?
Studien der letzten 20 Jahre belegen mehrere Schlüsselfaktoren, die die Bevorzugung einer Mastektomie gegenüber einer brusterhaltenden Operation mit anschließender Strahlentherapie beeinflussen, darunter:
- Die Empfehlung des Arztes.
- Der Lebensmittelpunkt der Patientin. Neue Behandlungsmethoden sind seit jeher mit einem regionalen Gefälle verbunden, doch ist der Unterschied im Vergleich zu vor fünf Jahren bereits weniger ausgeprägt.
- Die Art bzw. der Fortschritt der Krebserkrankung von Frauen bzw. ihr allgemeiner Gesundheitszustand.
- Psychologisches Wohlbefinden. Zahlreiche Frauen fühlen sich nach einer Brustentfernung, die eine erneute Krebserkrankung ausschließt, sicherer.
Trotz einiger gewichtiger Argumente für die Mastektomie, sind brusterhaltende Operationsverfahren heute mehr und mehr die bevorzugte Option. Frauen entscheiden sich für brusterhaltenden Therapien und gegen Mastektomien, um ihre natürliche Brust so lange wie möglich zu bewahren; letztlich hängt die Wahl eines bestimmten Verfahrens von der ganz persönlichen Entscheidung jeder einzelnen Frau ab. Wir haben einige Frauen zu ihrer Entscheidung befragt und sie gebeten, diese zudem zu begründen.
Mein Körper – meine Entscheidung
„Es war schön, aufzuwachen und noch eine eigene Brust zu haben“ – Kims Geschichte
Kim, 48, ist seit zehn Jahren krebsfrei und Brustkrebsbetroffene in der dritten Generation. Ihre Großmutter hatte 1958 eine radikale Mastektomie und ihre Mutter unterzog sich 1978 einer modifizierten radikalen Mastektomie. Beinahe 20 Jahre später entschied sich Kim für eine brusterhaltende Therpapie. „Obwohl ich mir vorstellen konnte, meine Brust nötigenfalls zu entfernen, war es wunderbar, [nach der Operation] aufzuwachen und noch eine eigene Brust an mir zu haben.“
„Nach meiner brusterhaltenden Therapie musste ein breiterer Rand entfernt werden“ – Libbys Geschichte
Auch Libby entschied sich für eine brusterhaltende Therapie. „Uns wurde versichert, dass aufgrund des frühen Stadiums meines Tumors eine brusterhaltende Operation ausreichen würde, um den gesamten Krebs loszuwerden. Ironischerweise musste drei Tage nach meiner ursprünglichen Operation noch mehr Gewebe entfernt werden, da meine Chirurgin aufgrund des Laborberichts der Auffassung war, zu wenig Gewebe entnommen zu haben.“
„Ich muss gestehen, dass ich und mein Ehemann etwas geschockt waren, doch wussten wir uns in guten Händen, was die Sache etwas erleichterte. Im vergangenen Januar waren seit meiner Diagnose und Behandlung drei Jahre vergangen und glücklicherweise gab es keine weiteren Komplikationen und bin ich krebsfrei. Jeder einzelne Tag meines Lebens ist ein wunderbares Geschenk.“
„Ich bin froh darüber, mich für eine brusterhaltende Therapie entschieden zu haben“ – Kathys Geschichte
Kathy ist immer noch glücklich über ihre Entscheidung für eine brusterhalende Operation. „Nachdem ich mich möglichst gründlich eingelesen und informiert hatte, suchte ich Rat bei meinem Arzt, bei Freundinnen — von denen sich einige einer brusterhaltenden Therapie und andere einer vollständigen Mastektomie unterzogen hatten — sowie bei meinem Gesundheitsteam. Was immer ich auch über meine Art von Krebs in Erfahrung bringen konnte, ließ keinerlei Schlüsse zu signifikanten Vorteilen einer Mastektomie zu. Ich war damals und bin auch heute sehr zufrieden mit meiner Entscheidung.“
„Ich entschied mich für eine Mastektomie, weil ich eine möglichst narbenfreie Rekonstruktion haben wollte“ – Lynns Geschichte
Lynn wurde mit DCIS diagnostiziert – einer nicht-invasiven Form von Krebs. „Die brusterhaltende Therapie hätte aufgrund der Lage nahe der Mitte und hinten unweit des Brustbeins die Entnahme von 20-30% des Brustgewebes nach sich gezogen. Es gab außerdem keinerlei Garantie, dass nicht weitere brusterhaltende Operationen in anderen Bereichen notwendig werden würden, da die gesamte Brust Kalkablagerungen aufwies.“
„Ich entschied mich also für eine Mastektomie, weil ich eine möglichst narbenfreie Rekonstruktion haben wollte. Mehrere brusterhaltende Operationen hätten in meinem Fall eine spätere Rekonstruktion deutlich verkompliziert. Es stellte sich als die beste Entscheidung heraus, da DCIS noch in anderen Bereichen diagnostiziert wurde und ich diese Brust auf jeden Fall eingebüßt hätte.“
„Ich wurde hervorragend behandelt und hatte keinerlei Probleme mit den chirurgischen Eingriffen – ob Mastektomie oder Rekonstruktion.“
Wenn Ihnen die Entscheidung zwischen brusterhaltender Therapie und Mastektomie schwer fällt, hilft Ihnen dieser Artikel eventuell dabei, das richtige Verfahren für Sie auszuwählen.
19. November 2019
Foto: Adobe Stock