„Soziale Netzwerke wie Pinterest sind inspirierend“
Eva-Maria Zietlow ist Bademoden-Designerin bei Amoena. Ein Interview über Modetrends und Social Media.
Seit gut elf Jahren ist Eva-Maria Zietlow Designerin bei Amoena. Ihr Spezialgebiet ist die Bademode. Im Interview verrät die 42-Jährige, wie Modetrends eigentlich entstehen und warum sie heute schon weiß, was 2019 in sein wird.
Redaktion: Frau Zietlow, weshalb sind in einer Saison Pünktchen angesagt und in der nächsten dann Streifen?
Eva-Maria Zietlow: Menschen wollen immer wieder etwas Neues – das gilt ganz besonders für die Mode. Ist ein Trend in der Breite angekommen, sind Trendsetter längst beim nächsten.
Die engen taillenhohen Hosen, die viele Frauen momentan tragen, hatte meine Mutter bereits in den 1980ern in ihrem Kleiderschrank hängen. Wieso die Wiederholung?
Es gibt kaum etwas, was es nicht schon mal gegeben hat. Die Hosen, von denen Sie sprechen, gab es bereits in den 1950ern. Wir versuchen allerdings Stile zu variieren, peppen Outfits mit neuen Stoffen und Materialien auf, setzen auf spezielle Details. Die hoch taillierten Hosen dieser Saison sind deshalb auch keine einfache Wiederholung.
Können Sie das genauer erklären?
In den 1950ern und 1980ern wurden die meisten Hosen aus festen Stoffen gefertigt, die wenig flexibel waren. Saßen diese nicht perfekt, engten sie die Trägerinnen in ihren Bewegungen ein. Außerdem verloren sie mit der Zeit die Form und beulten aus. Heute haben die Stoffe solcher Hosen einen Elasthan-Anteil. Die elastischen Fasern werden in den Stoff eingearbeitet und machen ihn dadurch dehnbar. Der Stoff schmiegt sich eng an den Körper, die Hose sitzt perfekt und ist trotzdem bequem.
Badelatschen sind wieder en vogue
Als Designerin beschäftigen Sie sich speziell mit Bademode. Worin unterscheiden sich die Trends bei der Swimwear von denen bei „normaler“ Kleidung?
Heute sind die Unterschiede marginal. Früher hinkten Bikinis und Badeanzüge in Sachen Modetrends vielleicht etwas hinterher. Mittlerweile befruchten sich die verschiedenen Sparten gegenseitig. Die Tops mit dünnen Multi-Trägern, die viele Frauen in diesem Sommer tragen, sind beispielsweise auch von der Bademode inspiriert.
Woher wissen Sie, welcher Trend in der nächsten Saison angesagt ist?
Zur ersten Orientierung über kommende Farben, Schnitte und Muster nutzen wir sogenannte Trendberichte. Die kommen von speziellen Modeagenturen. Ich persönlich – meine Kolleginnen übrigens auch – mache mir aber auch selbst ein Bild, gehe viel auf Messen, schaue mir die Schaufenster anderer Labels an, bin auf Pinterest unterwegs.
Pinterest ist eine virtuelle Pinnwand im Internet, auf der die Nutzer Bilder zu Themen, die sie interessieren, sammeln und teilen können. Inwiefern hilft Ihnen eine solche Plattform?
Gebe ich dort Schlagworte wie „Bikini“, „Badeanzug“ oder „Karos“ ein, sehe ich zigtausend passende Bilder. Die Fotos zeigen mir, was Frauen aktuell tragen oder wofür sie sich interessieren. Für mich sind das unheimlich gute Inspirationsquellen – vor allem, weil auf Pinterest teilweise auch sehr flippige Personen unterwegs sind.
Sie erwähnten, dass Sie sich im Design-Prozess auch an Trendreports orientieren. Wie kann ich mir solch einen Report vorstellen?
Mode ist immer in Entwicklung. Die Aufgabe dieser Berichte ist es, Entwicklungen zu analysieren und der Fachwelt, also uns Designern, zugänglich zu machen. Hierfür sind die Reports in Fashion-Kategorien und verschiedene Themenwelten gegliedert – etwa „Dschungel“, „Navy“ oder „Hollywood“. Zu jedem dieser Themen gibt es dann eine kurze Zusammenfassung sowie ein Portfolio, das diese Trends ausführlich bebildert. Mitunter werden auch noch kurz die soziokulturellen Zusammenhänge aufgezeigt, warum nun gerade dieses Muster oder jener Schnitt angesagt sind.
Haben Sie ein Beispiel?
Nehmen wir die Badelatschen oder ganz konkret die Adiletten. Dass die momentan wieder en vogue sind, hat beispielsweise auch etwas mit dem Video des französischen Rappers Alrima zu tun. In dem Clip zieht er demonstrativ seine Sneakers aus und schlüpft in die bereitstehenden Schlappen. Das Video wurde innerhalb weniger Wochen über sieben Millionen Mal geklickt – inzwischen hat es fast 17 Millionen Aufrufe. Kurze Zeit später gaben die Badelatschen ihr Debüt auf dem Laufsteg.
Dünne Träger am Rückenausschnitt geben der Brustprothese Halt
Hat das Internet die Mode verändert?
Auf jeden Fall. Modenschauen werden heute live übertragen, Kollektionen auf markeneigenen Websites präsentiert und Modeblogger posten täglich ihre ganz persönlichen Trends. Auf diese Weise sehen Sie nicht nur, was gerade in Berlin, New York oder Paris angesagt ist, sondern auch in Hongkong, Moskau oder Tel Aviv. Durch weltweit agierende Konzerne gleichen sich die Trends der Länder außerdem immer stärker an. Für die Mode bedeutet das, dass sie sich noch schneller ändert. Unternehmen wie Amoena brauchen deshalb ein klares Profil.
Lassen sich die in den Trendreports vorgestellten Schnitte und Muster eigentlich auf eine Amoena Bademoden-Kollektion übertragen?
Natürlich nicht 1:1. Die Reports sind sehr Fashion. Für mich als Designerin sind sie aber in jedem Fall eine gute Inspiration, vielleicht auch die Möglichkeit zum Abgleich und zur Bestätigung unserer gewählten Kollektionsausrichtung.
Was meinen Sie mit „sehr Fashion“?
Das ist Mode, die eine Idee mitunter ins Extrem zuspitzt. Das ist dann nicht einfach ein Rock mit Rüschen, sondern gleich ein Rüschen-Tutu. Im letzten Trendreport gab es auch viele Kleider und Badanzüge mit tief ausgeschnittenem Rücken.
Das klingt sexy.
Soll es auch sein. Wir suchen dann einen guten Mittelweg, schließlich machen wir Dessous und Bademode für Frauen mit Brustprothesen – und die erfordern einen guten Halt. Bei unseren Badeanzügen haben wir deshalb ein bisschen getrickst und tiefe Rückenausschnitte mit einem zusätzlichen abnehmbaren Träger versehen (zum Jersey Einteiler oder Miami Einteiler). Beim Baden sorgt er dafür, dass die Prothese nicht verrutscht. Will die Frau sich sonnen, kann sie den Träger einfach aushaken.
Welche Bademode erwartet uns in diesem Sommer?
Blumen im Aquarellprint kombiniert mit Streifen (zu den Modellen der Mexico Serie). Mit dabei ist auch ein Leopardenmuster (zur Serie Nauru) sowie maritime Themen (zur Serie Bangkok). Mit anderen Worten: Es wird farbenfroh, exotisch und luxuriös.
9. März 2018
Fotos: Tobias Gratz