Sterneküche (nicht nur) für Krebspatienten
„HealthFood“ ist eine Rezepte-App speziell für Menschen mit einer Krebserkrankung. Wir haben sie getestet.
„HealthFood“ ist eine Rezepte-App speziell für Menschen mit einer Tumorerkrankung. Wir haben das kostenlose Angebot des TZM München getestet.
„Skrei mit Miso und Kohlrabi“ lautet der Tagestipp der Koch-App „HealthFood“. Doch was bitte ist ein „Skrei“? Ein besonderes Gemüse, eine exotische Frucht? Weder noch, wie wir beim Runterscrollen erfahren: Skrei ist eine Fischart, genauer gesagt ein norwegischer Kabeljau. Gesund ist er nicht nur wegen seines geringen Fettanteils, sondern auch aufgrund seiner hohen Konzentration an Selen. Selen ist ein Spurenelement, erklärt die App, und es hilft unserem Körper, Tumorzellen in Schach zu halten.
Warum mir die App das so genau erklärt? „HealthFood“ soll Krebspatientinnen nach der Therapie zum Kochen animieren und ihnen helfen, sich gesünder zu ernähren. Professor Volkmar Nüssler, der Leiter des Tumorzentrums München (TZM) hat die App zusammen mit der TZM-Ernährungsberatungsstelle eigens dafür entwickelt.
Aber wie sind die Rezepte tatsächlich aufgebaut, sind die Informationen verständlich und sind die Zutaten im Supermarkt um die Ecke erhältlich? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir uns nicht nur mit Volkmar Nüssler unterhalten, sondern uns die „HealthFood“-Rezepte selbst genauer angeschaut.
Rezepte auch zum Anhören
Auf die Idee mit der App brachten den Professor die Krebspatienten selbst. In Beratungsgesprächen tauchte immer wieder dieselbe Frage auf: „Wie kann ich den Heilungsprozess aktiv positiv beeinflussen?“ Die Antwort: durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung.
Dabei soll die App helfen. Und da eine ausgewogene Ernährung nicht nur für Menschen mit Darm- oder Brustkrebs wichtig ist, sondern auch für Gesunde, sei „HealthFood“ eigentlich für jeden geeignet. Deshalb, so Nüssler, „wollen wir vor allem Lust auf gesundes Essen machen.“ Passend dazu stammen die Rezepte direkt aus Sterneküchen – etwa von Köchen wie Eckart Witzigmann, Hans Haas oder Tohru Nakamura.
Die Rezepte-App
Dann schauen wir uns mal an, ob wir die Sprache der Sterneküche auch verstehen. Zurück zum „Skrei“ also. Was ist zu tun? Die Schritt-für-Schritt-Anleitung gibt es uns vor: Kohlrabi schneiden, Gemüsebrühe aufkochen und den Fisch würzen. Dann ab in die Pfanne mit dem Filet, von allen Seiten braten und mit einem Schuss Sojasoße abschmecken. Nach 25 Minuten – die Dauer der Zubereitung wird immer angegeben – ist das Essen fertig. Klingt einfach. Man merkt: Die Rezepte von „HealthFood“ wurden zwar von Profiköchen kreiert, richten sich jedoch an Otto Normalverbraucher(in) – zumindest, was den Aufbau der Rezepte angeht.
Am Ende des Rezepts wird dann noch mal die Wirkung des Selens erklärt. Eine solche kurze und gut verständliche Information zur gesundheitsfördernden Wirkung bestimmter Inhaltsstoffe oder Hinweise zu krankheitsspezifischen Aspekten gibt es zu jedem Rezept.
Und ein besonderes Schmankerl: Wer mit dem Kohlrabischneiden alle Hände voll zu tun oder einfach keine Lust zum Lesen hat, kann sich das Rezept auch über das Audio-Symbol vorlesen lassen. Die Audiofunktion dient jedoch noch einem anderen Zweck, erklärt Nüssler: „Älteren, alleinstehenden Tumorpatienten gibt die Stimme das Gefühl, nicht allein zu sein.“
Besondere Empfehlungen für Chemotherapie-Patienten gibt es nicht
So weit, so gut. Das nächste Rezept, das wir uns anschauen: „Geschmorter Rhabarber mit rotem Shiso“. Schon der Titel verwirrt. Nicht nur wegen des Shiso, anscheinend ein japanisches Kraut –, sondern vor allem wegen des Rhabarbers. Viele Menschen, die aufgrund ihrer Tumorerkrankung eine Chemotherapie machen, sind säureempfindlich. In dem Rezept wird das jedoch nicht erwähnt.
„Vegetarisch“, „Zum Sattessen“, „Eiweißreich“, „Kalorienreich“ – um auf die individuellen Lebensstile und Krankheitsphasen der App-Nutzer einzugehen, sind die Rezepte in vier Kategorien eingeteilt. Was fehlt, ist allerdings eine Kennzeichnung, die verrät, welche Rezepte besonders während der Chemotherapie geeignet sind.
„In der schwierigen Phase der Chemotherapie spüren die Patienten in der Regel ganz allein, was ihnen gut tut“, erklärt Professor Nüssler. Zu viele Kennzeichnungen und Etiketten würden die Patienten zudem eher verwirren, als ihnen bei der Auswahl der Rezepte zu helfen. Schade, aber nachvollziehbar.
Ein weiterer Punkt, der beim Durchstöbern der Rezepte auffällt: Viele der Gerichte scheinen nicht wirklich schnell und einfach zuzubereiten zu sein – vor allem, da häufig eher unbekannte Zutaten verwendet werden. Auch das Poschieren von Eiern für den „Rahmspinat mit gebackenem Ei“ will geübt sein. Andererseits bringt das gerade den Entdeckernaturen natürlich etwas mehr Spaß in die Küche.
Sind die Rezepte der App damit aber alltagstauglich? „Auf jeden Fall“, meint Nüssler. „Denn Kochen bedeutet nicht zuletzt Entspannung und Genuss“, findet er, „und da die Zubereitung eines leckeren Essens auch ein gewisses handwerkliches Geschick bedeutet, sollte man sich zum Kochen auch Zeit nehmen.“ Okay, damit hat er recht!
25. August 2017
Foto: Lumina / Stocksy